Ende 2019 kam mein langjähriger Kunde mit der Bitte auf mich zu, die Rolle des Vermittlers zwischen ihm und dem zweiten Anteilseigner einer Unternehmensgruppe zu übernehmen, die im Bereich der Verteilung von Heizöl, Gas und insbesondere Wärme tätig ist. Das Paradoxe war, dass diese Bitte zu einer Zeit kam, als ich intensiv darüber nachdachte, ob wir unser Dienstleistungsportfolio um Mediation oder allgemein um ADR (alternative dispute resolution) erweitern sollten – d.h. um außergerichtliche Streitbeilegung. Auf der Grundlage dieser Initiative haben ich mich anschließend in diesem Bereich breiter orientiert und geschult.
Der Kunde erwartete von mir mehrere Dinge - hauptsächlich, dass ich den Wert der gesamten Unternehmensgruppe bestimme, dann mögliche Auseinandersetzungsmöglichkeiten vorschlage und bei der Umsetzung der gewählten Variante behilflich sei, einschließlich Koordinierung der Aktivitäten der gesetzlichen Vertreter beider Parteien. Ich nahm den Auftrag gerne an. Er bestand aus Dingen, bei denen wir uns stark fühlen - Verständnis und Bewertung des Problems, Kommunikation und Management der Rechtsteams. Ich habe jedoch beide Streitpartner darauf hingewiesen, dass ich seit vielen Jahren mit einem von ihnen zusammenarbeite. Dass dies meine Neutralität jedoch in keiner Weise störe, dass sie jedoch überlegen müssen, ob sie meinem Urteil wirklich vertrauen werden. Während der Ausbildung im Bereich ADR habe ich herausgefunden, dass Mediation, die von der beruflichen Sicht des Vermittlers ausgeht, ihren Namen hat - es ist eine ADR-Mediation. Ich gebe zu, dass mir eine Mediation, wo ich den Streitparteien meine Sicht auf das Problem mitteile, viel sympathischer ist als die klassisch konzipierte Mediation, bei der sich der Vermittler im Grunde überhaupt nicht direkt über den Inhalt des Streits äußern darf, geschweige denn eine Lösung empfehlen darf.
In gegebenem Fall fand somit die erste Phase statt, in der ich die Unternehmensgruppe mit rd. 40 Mio. CZK bewertete und verschiedene Formen ihrer Aufteilung vorschlug. Einer der umstrittenen Aktionäre überraschte mich jedoch, indem er eine völlig andere Form der Beilegung vorschlug. Eine Form, die mir für ihn als nachteilig erschien, auf was ich ihn wiederholt hinwies. Trotz dieser Warnung setzte dieser Aktionär die von ihm vorgeschlagene Lösung durch und ein anderer Aktionär akzeptierte sie gern - schließlich ist das, was für den einen nachteilig ist, für den anderen oft vorteilhaft.
Was mich in diesem Fall wirklich überrascht hat, war die Geschwindigkeit, mit der alles bis zur Vertragsunterzeichnung erfolgte. Ich habe den Auftrag vor Weihnachten 2019 angenommen und die Verträge wurden kurz nach Ostern 2020 unterzeichnet. Dies ist meiner Meinung nach bei Bewertung einer Gruppe von Unternehmen mit relativ komplizierten Geschäftsplänen, Verhandlungen, Ausarbeitung und Unterzeichnung von Verträgen eine sehr gute Leistung. Natürlich gab es nach der Vertragsunterzeichnung bei der tatsächlichen Trennung des Geschäfts einige kleinere Hindernisse, aber es scheint, dass beide Aktionäre ihr neues Unternehmens schließlich ruhig und konfliktfrei führen, und ich glaube, dass beide eine Chance haben, auf Dauer erfolgreich zu sein.